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nomaden salon
rathaus galelerie kunsthalle
Ein Artistenleben von Johannes Muggenthaler
Die Ausstellung “Nomaden Salon” behandelt einen wichtigen Aspekt des
Künstlerlebens, das Reisen, das Unterwegssein. Das Thema, das wir hier
bebildert sehen, das Leben an und zwischen mehreren Orten, kennen wir
von allen Künsten. Das ist bei den Schriftstellern nicht anders als bei den
Schauspielern oder den Musikern: Ein Artistenleben.
Künstler gehören zum fahrenden Volk, auch wenn das manchmal nur heißt, von
einer Stadt in eine andere Stadt zu fahren, um eine Ausstellung zu eröffnen. Die
Zelte werden hier und dort aufgeschlagen, es wird aufgebaut und wieder abgebaut.
Kunstausstellungen sind temporäre Veranstaltungen, sie haben eine Laufzeit
und ein Ablaufdatum. Kunstausstellungen sind auch Verkaufsveranstaltungen. Das
ist in wenig so, als könne man im Zirkus nach der Vorstellung die Tiere kaufen,
die gerade eben noch Kunststücke vorgeführt haben. Kunstwerke sind also Kunststücke,
die dauerhaft bleiben wollen. Für die man einen guten Platz sucht.
Die erhoffte Sesshaftigkeit der Kunstwerke wird paradoxerweise dadurch befördert,
dass die Künstlerinnen und Künstler eine nomadische Lebensform annehmen. Um hier
und dort, in möglichst vielen Galerien und Kunsthallen, in möglichst vielen Städten
präsent zu sein.
In der Rathausgalerie ist ein großes Zelt aufgeschlagen worden. Die historische
Halle im Zentrum der Stadt ist für die Dauer von sieben Wochen in einen
Campingplatz, in einen Zeltplatz umgewandelt worden. Mit bester Erreichbarkeit
und Verkehrsanbindung für unsere Touristen. Aber natürlich auch für unser
treues Fachpublikum. Der Brunnen der Rathaushalle ist aus nomadischer Sicht
purer orientalischer Luxus. Dieses erfrischende Zelt mit sprudelnder Quelle ist
der zentrale Punkt für die vielen Begleitveranstaltungen in der Laufzeit der
Ausstellung. Das Zelt wird ein Ort der Gespräche, der Begegnungen sein.
Jedes Ausstellungskonzept lebt (wie der Brunnen vom Wasser) wesentlich von
den künstlerischen Arbeiten, die es in Bewegung halten. Die versammelten Arbeiten
sind aber keine Illustrationen zum Thema Nomadentum.
Das ist nur einer von vielen Aspekten, unter denen man die Arbeiten betrachten
kann. Jede Ausstellung ist eine Summe des Vielen. Und es ist ein schönes
Rätsel der Ausstellung “Nomaden Salon”, wie es gelingen kann, dass drei so
unterschiedliche künstlerische Statements ein spannendes Miteinander eingehen
und erfolgreich ein gemeinsames Ausstellungserlebnis ermöglichen.
Wir bedanken uns sehr bei Nele Ströbel, bei Isabelle Dyckerhoff und dem Künstlerpaar
Venske & Spänle für diese ungewöhnliche, angenehm erstaunliche Ausstellung!
Versuchsanordnung zur Feldforschung von Nele Ströbel, Kuratorin
Als ich vor zwei Jahren Johannes Muggenthaler für eine Ausstellung in den großartigen
Räumen der Rathausgalerie/ Kunsthalle gewinnen konnte, war ganz klar:
Im Mittelpunk des Raumes ist das Haus der Nomaden, das Zelt.
Es soll Rahmen und Brennglas zugleich darstellen. Ein Transformationsort aus
Wachstumsflies, schwebend mit Sandsäckchen beschwert.
Es stand auch fest, dass die Malerin Isabelle Dyckerhoff und die Bildhauer*innen
Venske & Spänle an der Ausstellung teilnehmen.
Isabelles Arbeit erlebe ich in München und Berlin, wir besuchen einander in den Ateliers,
sie stellte in meinem Salon Friedenau aus.
Isabelle schwebt auf ihren großen Leinwänden voll geheimnisvollem Informel seit Jahren
zwischen Kreuzberg und der Domagkstraße aus und ein, wie auf einem fliegenden
Teppich.
Noch länger kenne ich das Künstlerduo Julia Venske und Gregor Spänle.
Die Beiden waren schon beim “imbenge dreamhouse” 2003/4 mit von der Partie.
Venske & Spänle verbringen ihre Smörf-Kosmologie auf Augenhöhe in die entferntesten
Erdteile. Sie arbeiten in München in 2 Seecontainern bei Halle 6 und manchmal
schleifen sie auch ihre Steine in Hotelbadezimmern um Mitternacht.
So entstand ein sehr lebendiges Ausstellungskonzept mit Malerei auf Leinwand, Plastiken
aus Laaser Marmor und meinen Rauminstallationen aus Terrakottaobjekten, die mit
Digitaldrucken, Loops und Artefakten aus dem Atelier komponiert sind. Der Vielklang
und die Kommunikation der Kunstwerke untereinander machen diesen nomaden salon
aus.
Der Titel der Ausstellung lässt Widersprüchlichkeit anklingen:
Hier die Wanderschaft auf der Suche nach Brot und Erkenntnis und Erfahrung, dort
der etablierte Raum für Experimente, wie ihn die Salonkultur um 1900 bildete.
In diesem Spannungsfeld ist auch der nomaden salon angesiedelt.
Versuchsanordnung zur Feldforschung von Nele Ströbel, Kuratorin
nomaden salon über nomadisches Wissen und künstlerische Praxis zwischen München,
Berlin und der Welt
Arbeitsnomaden leben im ständigem Ausnahmemodus.
Auch wenn sie zwei konkrete Aufenthaltsorte besitzen, ist da immer noch der Weg
dazwischen und die Fragen: Was brauche ich in B, was ich zuletzt in A gesehen
habe?
In Zeiten globaler Flucht und Vertreibung sicher ein banales Privilegiertenproblem.
Wie verändert der Aufenthaltsort meine Wahrnehmung?
Es gilt jedoch, gerade für uns Künstler, diese Fragen zu stellen.
Nur Querdenker und Universalisten können noch Funken von Erkenntnis produzieren,
so komplex und widersprüchlich ist das Weltgeschehen, so rasend schnell und sprunghaft
sind die Veränderungen.
Wie können bildende Künstler*Innen auf die beschleunigte, äußere Welt reagieren, in
ihr arbeiten, ohne den Kontakt zur Innenwelt zu verlieren.
Eine Muschel liegt am Meeresgrund in ihrem Gehäuse. Sie nimmt unentwegt Wasser
mit Schwebeteilchen auf und gibt es in veränderter Form wieder ab.
Das Geheimnis um diese ‘blackbox’ ist vergleichbar mit künstlerischem Schaffen in
verschiedenen Aggregatszuständen. Die Arbeit mit unterschiedlichen Sedimenten
entsteht durch den Ortswechsel zwangsläufig. Extreme Unterschiede befördern oft
komplett neue Lösungsansätze und Wege.
Der eurozentrische Blick ist erkenntnisreich, solange auch ganz Europa im Blickfeld ist.
Auch der arme, chaotische Teil mit dem hohen Maß an Improvisationskunst und dem
kühnen Mut der Verzweiflung. Große Themen im nomaden salon.
Die Frage, die sich für viele Menschen stellt lautet: Bewegung oder Besitz?
Fokussieren wir den Blick auf den kreativ arbeitenden Menschen: Ist der Künstler, der
allein schon durch seine Tätigkeit dem Durchschnitt der Bevölkerung suspekt bleibt, ein
am Rande der Gesellschaft agierender, oder arbeitet er in deren Zentrum? Hinter der
Frage nach der physischen Verortung künstlerischen Schaffens steckt eine viel tiefergehende,
essentiellere. Sie ist eng mit der Frage verknüpft, welche Rolle der Künstler/
die Künstlerin in unserer Gesellschaft einnimmt. Ist er/sie am Rande anzusiedeln oder
vielmehr mittendrin?
Die Zwänge, die zu einem nomadischen Künstlerdasein führen, sind vor allem ökonomischer
Natur. In den großen Städten besiedeln sie in der Zwischennutzung geräumige Industriebrachen,
bis sie aus dem wirtschaftlich attraktiv gewordenen Quartier verdrängt werden.
Tatsächlich ließe es sich auch andersherum sehen: Das Feld auf dem die Blumen der
schöpferischen Energie wachsen, ist dann abgeweidet, wenn die Flur versiegelt wird.
Dementsprechend hieße es, das nomadische Künstlertum ist kein Resultat von Zwängen,
sondern Ausdruck eines Verlangens nach kreativem, fruchtbarem Freiraum.
Vor diesem hier grob skizzierten Hintergrund entwickelt sich der nomaden salon mit
drei vollkommen verschiedenen Biografien und künstlerischen Ansätzen. Die Bildhauerin
Nele Ströbel und die Malerin Isabelle Dyckerhoff pendeln zwischen den Metropolen
München und Berlin, das Bildhauerduo Venske & Spaenle arbeitet in der bayerischen
Landeshauptstadt in zwei Seecontainern, um von dort die Welt zu erobern.
Im Rahmen einer „Feldforschung“ erobern Objektgruppen die Halle der Rathausgalerie.
Eine dieser Gruppen nennt sich die Prozession der ständigen Begleiter. In ihr wird
mit Raumskulpturen und Malerei vom Leben im Atelier berichtet und der Spannungsbogen
zwischen den unterschiedlichen Arbeits-Städten materialisiert. In der zweiten
Themengruppe, der Spirale der Erinnerung, öffnen die Künstler*innen Erzählräume
für Bildobjekte und digitale Loops, die aus der jeweiligen Stadt als Werkstatt berichten.
Im Zentrum der Halle, bedeutungsvoll den Brunnen als Lebens- und Schaffensquelle
einbindend, erhebt sich ein Nomadenzelt. Das Zelt bildet den Rahmen für die Konferenz
der Künstler, einem vielfältigen Programm der Begegnung und Bewegung.
Einführung zum nomaden salon von Christian Schoen
Der nomaden salon, initiiert von der Künstlerin Nele Ströbel, versteht sich als ein Raumlabor
über nomadisches Wissen und künstlerische Praxis zwischen München, Berlin
und der Welt. Was hier für das konkrete Projekt, resultierend aus sich überkreuzenden
Künstlerbiografien entwickelt wurde, ist weniger klassische Ausstellung vollendeter
Kunstwerke. Vielmehr handelt es sich um die Veranschaulichung unterschiedlicher
Arbeitsweisen im Kontext des modernen künstlerischen Nomadentums. Was bedeutet
es, Ateliers in unterschiedlichen Städten zu unterhalten? Wie wirkt das Unterwegssein
auf die Kunst? Doch dieses Projekt ist mehr, denn es wirft viele virulente Fragen
jenseits der einzelnen Künstlerbiografien auf, die in unserer global vernetzten Welt von
Bedeutung sind. Es sind subjektive Fragen nach der eigenen Identität vor dem Hintergrund
der individuellen Dislozierung und des großen medialen Rauschens; es ergeben sich
weiterführende Fragen etwa nach der Bedeutung von Heimat oder dem Wesen und
Wert von Arbeit.
Dem Begriff „Nomade“ haftet etwas romantisch Verklärtes an. Er leitet sich von dem
griechischen Wort für „Weide“ ab, und vor unserem geistigen Auge sehen wir Menschen,
die zwar in ärmlichen Verhältnissen aber doch in Einklang mit der Natur genügsam
leben. Die wenigen traditionell nomadischen Stämme, die es heute noch gibt, sind für
uns ein anheimelndes Echo aus der Frühzeit der zwanzigtausend Jahre währenden
Phase der Menschheitsgeschichte. Dieser früh-steinzeitlichen Epoche folgte die Periode
der Sesshaftigkeit, des dörfischen (auf griechisch „politischen“) Lebens. Bereits bei
Aristoteles zeigte sich die Skepsis gegenüber dem Nomaden, der „arbeitsscheu“ sei, da
er seine Ernährung „in aller Muße und ohne Mühe, und nur weil das Vieh gezwungen
ist, wegen der Weide den Ort zu wechseln“ so muss auch er mitgehen, als würde er
„einen lebendigen Acker bebauen“.
Postmoderner Nomadismus ist nicht geprägt durch Naturnähe, er koppelt sich nicht an
die Nahrung. Nomadismus in unserer westlichen Welt ist vielmehr das Resultat dessen,
was sich unter dem Begriff „Globalisierung“ versammelt. Das aktuelle Nomadentum
wird von ökonomischen Zwängen und den Möglichkeiten medialer Vernetzung getrieben.
Es wird beflügelt von der Suche nach Lebensnischen, nach Arbeitsfeldern, nach
Möglichkeiten der individuellen Verwirklichung. Mobilität und inhaltliche Flexibilität sind
in Zeiten von befristeten Arbeitsverträgen von großem Vorteil.
nomaden salon von Nele Ströbel
1994 stellte ich unter dem Titel „nomad“ entfaltbare
Bildhauerobjekte und bearbeitete Lithographien in
der Artothek München aus.
Thematischer Schwerpunkt war der Schaffensprozess
und die Werkzeuge als Zeugen des Werks selbst.
So hat für mich der Begriff des Nomadischen eine
weitere Dimension bekommen, die ich bis heute in
meinen Raumarbeiten untersuche.
Zur Langen Nacht der Museen 2003 installierte
ich in einem Werkstatt Container auf der Straße,
ein Gästezimmer für den nomadisierenden Dauereinsatz
von Arbeit. Ein „Chambre d’amis“ ohne
Bett und ohne Fenster ins Freie. Reale und fiktive
Gegenstände aus dem Atelier wurden mittels
Kaschiertechnik in rotes Paper getaucht und zu
einem imaginären Arbeitsplatz, dem ‘Roten Zimmer’
komponiert.
Den Katalogtext zu meiner Jubiläums-installation
„kunst-koffer-gasteig“ 2011 verfasste Dr. Hans-
Georg Küppers unter dem Titel “Die Häuser der
Nomaden“.
Seit 2012 arbeite ich in zwei Metropolen in zwei
Ateliers.
Berlin: kühles Tiefparterre in einer ehemaligen Remise,
ideal für heiße Sommer, ein Kokon für die
Reise in die Biografie.
München: ein helles, klares Loft für den Winter.
Berlin ist aufregend. Es gibt unendlich viele Lebensentwürfe, auch von unendlich vielen
Künstlerinnen und Künstlern. Von 0 bis 100, von Hartz IV bis Megastar, das gehört
für mich zu einer Metropole dazu. Auch das Scheitern, vormals in Wien beheimatet,
lebt und arbeitet hier prächtig. Dauernd kommen neue Leute an, erfinden sich und ihr
Umfeld neu.
Und ich stelle mir die Frage: Wie stehen Arbeit und Ort in (un-)mittelbarer Beziehung?
In München ist diese Form der Eigendynamik
nicht möglich. Künstlerische Strategien
müssen subversiver sein. Viele Erfahrungen
mit der Gentrifizierung sind inzwischen auch
für Berliner Künstler sehr wichtig und kostbar.
Wenn man in München künstlerisch überlebt,
kann man dies in Berlin mit Bravour. Man
lernt auf kleinstem Raum zu experimentieren.
Versuchsanordnungen in epischer Breite sind
selten möglich. Dazu fehlen in München die
Brachen und Freiräume.
Trotzdem gibt es hier weniger Stress und
Hektik, bessere Luft zum Atmen. In Berlin
ändert sich dauernd alles, das ist auch
ein Unterschied. Ich brauche sowohl den
Ortswechsel als auch das Reisen im Kopf
- ein Topos mit 1000 Facetten. Die andere
Verortung, das Zettel- und Schriftenreich.
Aus diesen unterschiedlichen Geschwindigkeiten
kann ich für meine künstlerische
Arbeit schöpfen.
Obwohl Künstler auch in Zeiten globaler Wanderungen vom Innenraum gelenkt werden,
stellt sich die Frage, inwieweit Orte die Arbeit beeinflussen. Im Rahmen dieser „Feldforschung“
erobern Objektgruppen die Hallen der Rathausgalerie: In der Prozession der
ständigen Begleiter wird auf rollbaren Gerätschaften mit Terrakottaobjekten vom Leben
im Atelier berichtet und der Spannungsbogen zwischen den unterschiedlichen Arbeits_
Städten materialisiert. In der zweiten Themengruppe, der Spirale der Erinnerung öffne
ich mit Reisekoffern, Leporellos und Digitaldrucken aus Acrylscheiben Erzählräume für
Bildobjekte und digitale Loops, die aus der jeweiligen Stadt als Werkstatt berichten. Die
Konferenz der Künstler findet im flottierenden Nomadenzelt im Zentrum statt, geballte
Bewegung und Kommunikation sind zu erwarten.
„Plan B“, 2018
Marker und Druck auf Textil. Linoldrucke auf Papier mit Motiven aus der Rathausgalerie, Stativ mit ummantelten
Minibeamer. Die Arbeit heißt Plan B, weil sie sowohl horizontal als auch vertikal aufgebaut werden kann.
Die zwölf
aufmontierten Papierarbeiten bestimmen die Wahrnehmungsrichtung. Die Projektion auf ein A 4 Papier.
zeigt Einblicke in die Werkstattarbeiten von Nele Ströbel und eine sich drehende Prozession von Holzleisten im
Berliner Atelier
Nele Ströbel von Christian Schoen
Nele Ströbel überschreitet beständig die Grenzen
und wandert zwischen Kunst, Wissenschaft und
Technik hin und her. Ihr Augenmerk ist gerichtet
auf gesellschaftliche Zusammenhänge. Dabei
spielt der Paradigmenwechsel zwischen privatem
und öffentlichem Raum eine zentrale Rolle. In
letzter Konsequenz stellt sich für sie die Frage
nach der Aufgabe, der Erscheinung und dem Ort
von Kunst.
Die zwischen ihren Ateliers in München und
Berlin pendelnde Bildhauerin ist nicht von ungefähr
Initiatorin des nomaden salons. Das Transitorische
beschäftigt die Künstlerin bereits seit mehreren
Jahrzehnten.
Schon 1994 stellte sie unter dem Titel ‘nomad’
entfaltbare Bildhauerobjekte und bearbeitete
Lithografien aus, die nach der Bedeutung der
künstlerischen Werkzeuge als Zeugen des Werks
selbst fragte.
2003 installierte sie in einem Werkstattcontainer
im öffentlichen Raum ein Gästezimmer für den
nomadisierenden Dauereinsatz von Arbeit. Schon
dort tauchten reale und fiktive Gegenstände aus
dem Atelieralltag auf, die sie verfremdet in dem
„Chambre d’amis“ präsentierte. Der Bereich des
nomaden salons, der als Prozession der ständigen
Begleiter bezeichnet ist, darf als Fortführung dieses
Konzepts gesehen werden. Hier wird mit Raumskulpturen,
Objekten und Collagen vom Leben im
Atelier berichtet. Welchen Beitrag leistet ein
Lastenkran oder ein Akkuschrauber bei der
künstlerischen Arbeit? „Die Grundlinie in meiner
Kunst“, so erklärte es Ströbel einst in einem
Interview, „ist der Versuch, räumliche Situationen
in Bewegung zu versetzen.“
Im Transfer von Utensilien ihrer Künstlerwerkstatt
in den Ausstellungskontext ergeben sich neue
Sichtweisen, nicht nur auf den jeweiligen Gegenstand,
sondern vor allem auf das eigentliche Tun.
„Flottierendes Nomadenzelt“, 2019 Wachstumsfließ, Metallrahmen
Diese Seite:„Spirale der Erinnerung“, 2017/19
Wandarbeit mit historischen Koffern, Leporello-Handzeichnungen und
ovalen Digitaldrucken von verschiedener Ateliermotiven auf Acryl
„Berliner Rollbild“, 2017, Mischtechnik auf Papier
In diesem Zusammenhang stehen auch die sieben Koffer, die an der Wand
die Spirale der Erinnerung formen. Jeder einzelne Koffer bildet einen
Erzählraum, der – sei es durch Bildobjekte oder durch digitale Loops – von
den Werkstattorten Berlin und München berichtet. Das hier Gezeigte ist mehr
als pure Dokumentation oder Rekonstruktion des Arbeitsalltags.
Seit vielen Jahren ist sie in nahen und fernen Ländern unterwegs, um das
Zusammenspiel spezifischer Topografien und den jeweils dort lebenden,
handelnden und gestaltenden Menschen in ihren sozialen Strukturen zu
untersuchen. Für ihr Projekt Hortus conclusus bereiste sie 2006 fünfzehn
bayerische Frauenklöster, um deren Gärten zu
studieren. Fünf Jahre später weitete sie das Thema aus, indem sie sich mit
dem zeitgemäßen Phänomen des „urban- bzw guerilla-gardening“
auseinandersetzte, dann in Berlin-Neukölln.
In Berlin-Neukölln befindet sich auch ihr Atelier. Berlin bietet ihr ein Fenster
zu den unterschiedlichsten Lebensentwürfen, es ist eine Stadt der
Gegensätze und der Extreme. Ströbel reflektiert sehr wohl den Unterschied
zu dem Leben in ihrer zweiten künstlerischen Heimat München, wo gegen
die Saturiertheit angekämpft werden muss, damit der kreative Geist überleben
kann. Dort wo in Berlin ständig Bewegung herrscht, ist München in Schönheit
erstarrt. Doch der Mangel an Freiräumen wird kompensiert durch eine ruhigere
Lebensart, also weniger Hektik und Stress.
So ist das Leben der Künstlerin Nele Ströbel in den beiden Städten nicht nur
ein nomadisches, sondern gibt ihr auch die Chance sich die jeweils besten,
interessantesten, inspirierendsten Seiten auswählen zu können.
Für Nele Ströbel ist der Ortswechsel, der auch das Reisen im Kopf meint,
gleichermaßen Notwendigkeit wie Gegenstand ihrer Kunst.
Vier „Raummodelle auf Paletten“ aus rotem Ton kommunizieren mit der Spirale der Erinnerung
„Prozession der ewigen Begleiter“, 2017/19, sechs Metallgerätschaften aus dem Atelier dienen als Sockel
für Raummodelle: Lehm-Container, Motorblöcke, Maschinenteile aus Terrakotta, teilweise glasiert
Impressum
nomaden salon
kuratiert von Nele Ströbel
Eine Publikation aus Anlass der gleichnahmigen
Ausstellung in der Rathausgalerie Kunsthalle
München vom 21.3. bis 3.5.2019
Rathausgalerie Kunsthalle
Marienplatz 8
80331 München
www.muenchen.de/rathausgalerie
www.facebook.com/rathausgaleirie.kunsthalle
Kuratorin der Ausstellung “noamden salon”:
Nele Ströbel
Verantwortlich für das Ausstellungsprogramm der Rathausgalerie Kunsthalle:
Johannes Muggenthaler, Kulturreferat München
Alle Rechte, insbesondere das Recht auf Vervielfältigung und Verbreitung, sowie
Übersetzung, vorbehalten. Kein Titel, keine Abbildung und kein Text dieses Werkes
darf in irgendeiner Form ohne schriftliche Genehmigung des Herausgebers
reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt
oder verbreitet werden.
ISBN 978-3-945055-10-6 verlag nele-stroebel Printed in Germany
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